Die Entwicklung, Erprobung und Fertigung neuer Flugzeuge sind mit außerordentlich hohen zeitlichen, technologischen und finanziellen Risiken verbunden. Insbesondere, wenn innovative, neuartige Technologien in Verbindung mit zukünftigen unkonventionellen Flugzeugkonzepten betrachtet werden. Leistungsdefizite, die erst während der ersten Testflüge erkannt werden, Verzögerungen bei der Zulassung und zeitintensive Produktionsprozesse können zu erheblichen Mehrkosten führen. Lange Produktlebenszyklen von Flugzeugen stehen im Widerspruch zu dynamischen Produktverbesserungen und zu der notwendigen Innovationsfähigkeit der Luftfahrt. Virtuelle Prozesse im Bereich Entwurf, Entwicklung, Test und Produktion helfen, technologische Risiken zu reduzieren und die Einführung neuer Technologien für einen noch sicheren, umweltfreundlicheren und wirtschaftlicheren Luftverkehr zu beschleunigen.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), als zentrale nationale Forschungseinrichtung für Luft- und Raumfahrt, hat sich zum Ziel gesetzt, unter dem Begriff Virtual Product die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich voranzutreiben und eine virtuelle Gesamtsystemfähigkeit (virtueller OEM) aufzubauen. Ziel ist es, eine Simulationsplattform zu entwickeln, mit der man Flugzeugkonfigurationen und deren Komponenten mit allen relevanten Technologien und disziplinären Aspekten hochgenau analysieren, entwerfen, optimieren und schließlich zertifizieren kann. Dieses Virtual Product ist in Form eines Leitkonzepts in der Luftfahrtstrategie des DLR verankert.
Zur Umsetzung der deutschlandweiten Strategie des DLR zur Digitalisierung der Luftfahrt wurden neben dem VPH vier neue DLR-Institute gegründet, mit Standorten in Hamburg (zwei Institute), Dresden und Augsburg. Bremen bietet in diesem Kontext als wichtiger Luft- und Raumfahrtstandort mit den vorhandenen Industrie- und KMU-Kompetenzen, der Universität sowie dem EcoMaT eine hervorragende Ausgangsbasis und Zukunftsperspektive, um die notwendigen Innovationen seitens der Simulationsverfahren als auch der Verbindung von virtuellen und realen Testfähigkeiten maßgeblich mit zu gestalten.
Vor diesem Hintergrund entsteht, in Ergänzung zu den neuen Instituten, in Bremen ein virtuelles Integrations- und Testzentrum (sog. Virtual Product House: VPH) als Schnittstelle zur Luftfahrtindustrie. Im Juni 2019 fand bereits die offizielle Feier zur [LINK 31885; VPH-Eröffnung und zum DLR-Einzug ins EcoMaT statt, unter Beteiligung der Bremer Landespolitik, der VPH-Industriepartner und der Zulassungsbehörde EASA.
Mit einem Startprojekt sollen die ersten Bausteine für das Virtual Product House erarbeitet werden und die für die Forschungsarbeiten notwendigen Prozesse und Arbeitsweisen von DLR, der Universität Bremen (Zentrum für Technomathematik) und Industriepartnern gemeinsam entwickelt und auf eine Beispielstudie auf Flugzeugkomponentenebene angewandt werden. Im Rahmen des Startprojekts soll einerseits an den zugehörigen technischen Fragestellungen gearbeitet werden, in dem die wesentlichen Disziplinen integriert werden, und andererseits an Konzepten für Schnittstellen mit externen Partnern, inklusive der notwendigen IT-Sicherheitsthemen und den Nutzungsrechten von Daten und Software.
Die Summe aller Aktivitäten bilden die Säulen des Virtuellen Produkts (Abb. 1) und bauen die Virtual-OEM-Fähigkeit des DLR auf.
Auch für die Zulieferer- und sogenannte MRO-Industrie (Wartung, Reparatur & Überholung) wird die virtuelle Gesamtsystemfähigkeit von großem Nutzen sein, da sie aufgrund einer vollständigen Simulationskette, einschließlich der Herstellungsverfahren und Betriebserfordernisse im Flug und am Boden, eigenständige Technologieentwicklungen und -bewertungen vornehmen können, die ihrerseits frühzeitig auf den Entwurf zurückwirken können.
Zuwendungsempfänger und Koordinator für das Startprojekt ist das DLR. Neben dem DLR ist auch die Universität Bremen, Zentrum für Technomathematik, AG Optimierung und Optimale Steuerung (Prof. Dr. C. Büskens) im Rahmen eines Unterauftrags zur Entwicklung eines Simulationskonzepts in das Projekt eingebunden. Darüber hinaus sind folgende Industriepartner beteiligt, die ihr Know-how durch Eigenleistungen einbringen, aber keine Förderung erhalten: Airbus Operations GmbH, FFT Produktionssysteme GmbH & Co. KG, IABG (Industrieanlagen-Betriebsgesellschaft mbH) und Liebherr-Aerospace Lindenberg GmbH.